Stand: 16.06.2022 15:41 Uhr | AutorIn: Anthrin Scheel

Wie Fake-Lächeln uns krank machen kann

Immer schön freundlich?! Uns fröhlich zu geben, ohne es zu sein, kann unserer Psyche schaden.

Ob Servicekräfte in Cafés und Restaurants, Personal im Supermarkt, Pflegepersonal in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen, Stewardessen im Urlaubsflieger oder Mitarbeiter im Call-Center: Es gibt viele Jobs, in denen ständige Freundlichkeit, vielleicht sogar ein Dauergrinsen gefragt ist - schließlich ist der Kunde König.

Studie: Fake-Grinsen kann zu mehr Alkoholkonsum führen

Eine Studie der Pennsylvania State University und der University of Buffalo zeigt einen Zusammenhang zwischen vorgetäuschten beziehungsweise unterdrückten Emotionen während der Arbeitszeit und dem Verhalten in der Freizeit auf. Das Ergebnis der Forscher: Wer auf der Arbeit gezwungen ist zu lächeln, neigt dazu, nach Feierabend mehr Alkohol zu trinken.

Dies liegt, so die Forscher, nicht nur daran, dass sich die Betroffenen schlecht fühlen und den Stress (vermeintlich) hinter sich lassen wollen, sondern auch daran, dass sie durch die ständige Unterdrückung ihrer eigentlichen Gefühle nach Feierabend eine Art Kontrollverlust erleiden: "Je mehr sie negative Emotionen auf der Arbeit unterdrücken müssen, desto schwieriger ist es, ihren Alkoholkonsum nach der Arbeit zu kontrollieren", erklärt die Psychologin Alicia Grandey in einem Artikel der Pennsylvania State University.

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"Surface Acting": Die innere Spannung kann uns krank machen

Für die Soziologin Dr. Anna Mucha von der Universität Hamburg passen diese Erkenntnisse gut zu den Ergebnissen aus anderen Studien. Der Alkohol sei in diesem Fall ein Mittel, um eine innere Spannung aufzulösen, die beim "Surface Acting", also "Oberflächenhandeln" entsteht. So nennen Forscher dieses Vorspielen von Emotionen, die wir eigentlich gar nicht fühlen.

Das kennen wir alle von Familienfeiern: Ich bin angestrengt, muss nett sein zu Menschen, die ich länger nicht gesehen habe oder sogar gar nicht mag. Und ich merke: Das führt zu einer inneren Spannung. Dr. Anna Mucha, Soziologin, zum "Surface Acting"

Immer lächeln und freundlich sein zu müssen, weil es zum Beispiel das Unternehmen erwartet, ist nicht nur anstrengend - der dadurch entstehende Stress kann laut Mucha auch krank machen. "Es besteht das Risiko einer Erschöpfungsdepression", erklärt die Soziologin. Würden wir uns vermehrt oder dauerhaft erschöpft fühlen, könne dies ein Warnsignal sein: "Ständiges Lächeln, Begeisterung für das Produkt, Freude an der Arbeit zeigen - das können wir uns wie eine ständige Anspannung vorstellen. Es ist wichtig, auf sich zu achten und zu schauen, ob man das auf Dauer leisten kann."

"Surface Acting" vs. "Deep Acting"

Was können wir also tun, um den Erwartungen der Chefs und Kunden gerecht zu werden, uns aber von dieser "kognitiven Dissonanz" zu befreien? Kurzfristig kann das sogenannte "Deep Acting" Abhilfe schaffen: Dabei denken wir an etwas Schönes, wenn wir uns nicht gut fühlen, und versuchen so, die gezeigte Emotion tatsächlich herzustellen, statt sie nur vorzuspielen. Diese Manipulation an unserer eigenen Stimmung ist aber umstritten.

Viele Forscherinnen und Forscher sagen, dass es gesünder ist, weil es diese kognitiven Dissonanzen nicht erzeugt. Allerdings hat es einen großen Nachteil: Es führt auf die Dauer zur Selbstentfremdung. Wenn ich ständig ein Gefühl in mir erzeuge, das ich eigentlich nicht hatte, besteht die Gefahr, dass ich irgendwann gar nicht mehr fühlen kann, wie es mir geht. Dr. Anna Mucha, Universität Hamburg

Die Gefahr, über die eigenen Grenzen hinauszugehen, sei sehr groß. So könnte es sein, dass wir gar nicht merken, dass wir eigentlich erschöpft und an der Belastungsgrenze sind, warnt die Expertin Mucha.

Wichtig: Rückzugsräume schaffen

Erfolgsversprechender und gesünder sei es daher, für Pausen vom Dauergrinsen zu sorgen. "Wenn eine Verkäuferin wenig Rückzugsmöglichkeiten hat, muss sie ständig lächeln und kann nie ihr Gesicht entgleisen lassen, weil immer jemand guckt. Da ist es ganz wichtig, Rückzugsräume zu schaffen, in denen eine Entspannung möglich ist", erklärt Mucha. Sie sieht Vorgesetzte in der Verantwortung, diese Räume zu schaffen und die Bedürfnisse ihrer Angestellten ernst zu nehmen.

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Selbstreflexion im Job

Am Ende können wir uns aber auch selbst fragen: Sind wir für den Job gemacht? Laut Mucha gibt es je nach Typ Mensch durchaus Unterschiede, wie gut jemand in ein Arbeitsumfeld mit viel Kundenkontakt und einem ständigen Lächeln im Gesicht passt:

Es gibt extrovertiertere und introvertiertere Leute. Menschen, die Lust auf Kontakt mit anderen haben. Und es gibt Leute, für die es sehr anstrengend ist, ständig auf der Vorderbühne zu stehen, freundlich zu sein und zu interagieren. Dr. Anna Mucha im N-JOY Interview

 

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N-JOY | Der Graf | 26.06.2019 | 12:00 Uhr

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