"Männerwelten": Wie Frauen im Alltag belästigt werden
Joko und Klaas haben ihre Sendezeit bei ProSieben genutzt, um eine Ausstellung der etwas anderen Art zu zeigen. Das Video, in dem wir durch unterschiedliche Räume geführt werden, zeigt die unterschiedlichen Facetten von Sexismus und sexueller Gewalt, denen Frauen ausgesetzt sind.
Sprüche, Gesten, Grapschereien und mehr: Laut einer repräsentativen Studie haben 60 Prozent aller Frauen in Deutschland im Laufe ihres Lebens mindestens eine Form von sexueller Belästigung erlebt.
Allein auf der Arbeit ist rund jede achte Frau jüngst sexuell belästigt worden, wie eine Studie aus Ende 2019 zeigt. Unter den Männern war es jeder zwanzigste.
Sexuelle Belästigung: Ganz normal?!
Ob im Job, in der Schule, in Bussen und Bahnen, sogar in der eigenen Wohnung: Sexuelle Belästigung kann überall stattfinden. Viele Formen sexueller Belästigung sind laut dem Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe allerdings so alltäglich, dass sie vielen Menschen als "normal" und "typisch männliches" Verhalten erscheinen. Dabei sei vielmehr entscheidend, dass sich die betroffene Frau in dieser Situation höchst unwohl fühlt, wie der Verband auf seiner Webseite aufklärt.
Video "Männerwelten": Das Ende des Schweigens?
Etwas gegen den "witzig gemeinten" Spruch zwischendurch oder die scheinbar zufällige Berührung zu sagen oder sich Hilfe zu suchen, traut sich allerdings nicht jede Frau. Zu hoch scheint wohl die Gefahr, als "Spielverderberin" zu gelten und Sprüche wie "Stell dich nicht so an" oder "Man kann es auch übertreiben" zu kassieren.
Doch es gibt Frauen, die nicht länger schweigen und auf das Problem aufmerksam machen wollen - zum Beispiel mit dem 15-minütigen Beitrag, der am Mittwochabend (13. Mai 2020) bei ProSieben zu sehen war.
In der Sendezeit, die Joko und Klaas in der Show "Joko und Klaas gegen ProSieben" gewonnen haben, wollten sie der Problematik eine Plattform bieten. Das Video, das mittlerweile auch im Netz verfügbar ist, zeigt eine Reise durch schockierende, von Frauen gesammelte "Ausstellungsstücke".
"Männerwelten": Nichts für schwache Nerven
"Diese Ausstellung ist nichts für Kinder und schwache Nerven", leitet die von Joko und Klaas beauftragte Autorin und Journalistin Sophie Passmann den Video-Rundgang durch die Ausstellung "Männerwelten" ein. "Die kommenden Minuten können auf empfindsame Zuschauer verstörend wirken. Aber leider sind sie auch Teil unseres Alltags. Und dort können wir auch nicht einfach wegzappen", heißt es in einem eingeblendeten Text.
Nach dieser Warnung führt Sophie Passmann die Zuschauer 15 Minuten lang durch unterschiedliche "Räume". In diesen Räumen werden anhand realer Beispiele verschiedene Facetten dessen gezeigt, was Frauen im Deutschland des 21. Jahrhunderts erleben müssen - von ungefragten Penisbildern über frauenverachtende Kommentare bis hin zu Vergewaltigungen.
Eines haben all die gezeigten Facetten sexueller Belästigung gemeinsam: Frauen werden gegen ihren Willen erniedrigt und auf ihren Körper reduziert.
Sexuelle Belästigung - nicht nur bei Promis
Im Video geben Promis wie die Moderatorin Palina Rojinski und das Model Stefanie Giesinger einen kurzen Einblick in die Nachrichten und Kommentare, die sie regelmäßig bekommen - und die an abstoßender Geschmacklosigkeit kaum zu übertreffen sind. Doch auch Frauen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, schildern ihre Erfahrungen.
Erfahrungen, die keine Einzelfälle sind, wie allein schon von N-JOY gesammelte Festival-Fundstücke zeigen: Eindeutige Angebote und Aufforderungen zu Berührungen wurden dort über selbstgemalte Schilder genauso offen kundgetan wie die Bitte, sich doch obenrum frei zu machen.
"Leider sind das oft Menschen, die generell eine sexistische Einstellung haben, die sie dann dort bekräftigen", erklärte die Genderforscherin Dr. Stevie Schmiedel von der Initiative "Pinkstinks" dazu im N-JOY Interview.
Einstellungen, die in der Öffentlichkeit teilweise sogar bestärkt werden - schließlich ist Sexismus regelmäßig auch in der Werbung oder in der Musik zu finden.
Digitale Gewalt wird oft bagatellisiert
Im realen Leben finden Sexismus und sexuelle Belästigung genauso statt wie im Netz. Diese digitale Gewalt wird laut der Psychologin Sarah Danielewski aber viel zu oft bagatellisiert - zum Beispiel, wenn es darum geht, dass manche Männer Frauen unaufgefordert ein Penis-Bild schicken, wie es Palina Rojinski und ihren Kolleginnen schon mehrfach passiert ist.
Penisbilder verschicken kann strafbar sein
"Bei Exhibitionismus im analogen Raum käme niemals die Frage auf, ob es sich hier um eine widerliche Straftat handelt", erklärt Danielewski. Dabei kann es auch durchaus strafbar sein, ohne das Einverständnis der Empfängerin ein Penisbild zu verschicken. Und trotzdem bekommen viele Frauen unaufgefordert Penisbilder über Chat- und Datingplattformen geschickt. Zur Anzeige werden solche Bilder allerdings nur selten gebracht - was die Täter in ihrer Überzeugung noch bestärkt.
"Demonstration von Macht": Beispiel Penisbilder
In Bezug auf die Motive, aus denen heraus diese Bilder überhaupt verschickt werden, erklärt sie im N-JOY Interview, dass die Wehrlosigkeit der Empfängerinnen durchaus eine Rolle spielt:
Die Täter genießen es, ihren Willen durchzusetzen, zu erschrecken und zu demütigen. Das unvermittelte Versenden eines Penisbildes ist eine Grenzüberschreitung und eine Demonstration von Macht. Sarah Danielewski, Psychologin
Vergewaltigung: Warum die Frage nach den Klamotten unangebracht ist
Doch das "Männerwelten"-Video beschränkt sich nicht auf Sprüche, Nachrichten und Kommentare, die Frauen ertragen müssen: Im letzten Raum geht es um Vergewaltigungen.
"Wenn Frauen eine Vergewaltigung erleben mussten, ist eine der häufigsten Fragen, die ihnen anschließend gestellt wird: 'Was hattest du an?'", erklärt Moderatorin Sophie Passmann im Video - und macht sogleich klar, warum diese Frage völlig unangebracht ist:
Als gäbe es eine Rocklänge, die irgendwann eine Vergewaltigung erlaubt - als wäre die Tiefe des Ausschnitts Schuld daran, dass manche Männer aufhören, Frauen zu respektieren.
Abgesehen davon, dass im letzten Raum der Ausstellung lange Röcke und ganz normale Jeans und Shirts zu sehen sind, die Frauen zum Zeitpunkt einer Vergewaltigung getragen und für eine Ausstellung zur Verfügung gestellt haben, lautet die wichtige Botschaft der Protagonistinnen: Nichts rechtfertigt solche Übergriffe - niemand außer uns selbst darf über unseren Körper bestimmen.
Sexuelle Belästigung: Wehrt euch!
Und das ist neben der Botschaft, dass wir mehr über die Problematik sprechen müssen, wohl die wichtigste Message: Wenn ihr euch belästigt fühlt oder euch jemand zu nahe gekommen ist - wehrt euch!
Sagt es eurem Gegenüber, wenn euch etwas nicht passt. Holt euch Hilfe von umstehenden Menschen, wenn ihr euch in der Öffentlichkeit belästigt fühlt. Ruft bei einer Beratungsstelle an, wenn ihr Rat braucht. Und leitet gegebenenfalls auch rechtliche Schritte ein. Viele Informationen rund ums Thema findet ihr in unserem FAQ "Sexuelle Belästigung: Was kann ich tun?"